ELEKTRONISCHER  BULLE

Test Opel Commodore GS/E (aus der Zeitschrift "mot" von 1972)

 

Mit dem Commodore GS/E hat Opel ins Volle gegriffen: 2,8 statt 2,5 Liter Hubraum, 160 PS statt 115 PS beim Commodore und 130 PS beim Commodore GS. Der breite Spoiler unter der vorderen Stoßstange ist keineswegs nur optische Zierde; er wurde im Windkanal sorgfältig zur stärkeren Belastung der Vorderräder angelegt. Dieser GS/E als Super-Rekord kann in der Spurtkraft selbst mit dem Opel-Spitzenmodell Diplomat V8 gut mithalten. Zuviel Motorkraft für dieses Fahrwerk?

Pluspunkte

Motor besonders leistungsfähig und kultiviert

Beschleunigung hervorragend, spurtstarker Reisewagen

Handlichkeit sehr gut, Servolenkung serienmäßig

Spurstabilität auf guter Fahrbahn sehr gut, auf schlechter Fahrbahn durch straffe Stoßdämpfung gut

Instrumente reichhaltig

Sitze gut gepolstert

Stahlkurbeldach (Aufpreis) mit Belüftungsstellung

H 4-Halogenlicht serienmäßig, zusätzliche Fernscheinwerfer

Preis auch durch komplette Ausstattung günstig

Minuspunkte

Federung hart, besonders spürbar für Mitfahrer hinten

Gepäckraum flach und relativ klein, Reserverad nicht verkleidet

Knieraum vor den Rücksitzen knapp

Zuladung gering

Schutzleisten seitlich nur als Extra

Tankstutzen ungünstig angelegt, starke Überlaufneigung

Coupé: Starkes Aufheizen des Innenraums durch sehr stark gewölbte Seitenscheiben und schräge Front- und Heckscheibe; weniger Kopf- und Knieraum hinten als in der Limousine

Automatikgurte nicht lieferbar

Wertverlust hoch Wiederverkauf in dieser Hubraumklasse schwierig

Vor einem Jahrzehnt hatte sich der damalige Opel-Chefkonstrukteur zu seinem Privatvergnügen einen bärenstarken V8-Motor aus den USA in einen Rekord einbauen lassen. Daraus entstand ein äußerlich unscheinbarer 200 km/h-Rekord.

Heute steht ein solcher 200 km/h-Rekord bei jedem Händler; seit September 1972 der neue GS/E 2800 mit 160 PS-Motor und elektronischer Bosch-Einspritzung (wie schon beim Vorgänger GS/E 2500 mit 150 PS). Unscheinbar ist dieser GS/E aber nicht zu nennen: als Leistungsmerkmal schiebt er eine mächtige Luftschaufel (Fachausdruck Spoiler) unter der Stoßstange vor sich her. Auch die imposante GS/E-Front mit Halogenlicht und zusätzlichen Fernscheinwerfern sorgen für beträchtlichen Respekt beim Schnellfahren.

Wir wurden auf vielen Testfahrten mit dem GS/E bereitwillig vorbeigelassen. Nach den Fahrleistungen braucht er auch diesen Spoiler. In der Höchstgeschwindigkeit übertraf das GS/E-Coupé mit gestoppten 202,2 km/h sogar die Werksangabe von 200 km/h noch etwas; für die Limousine mit höherem Dach betragt die Spitze 195 km/h. Auch in der Beschleunigung sorgte unser Testwagen mit pfeifenden Reifen für einen Bestwert: von 0 auf 100 km/h in 9,0 sec gegenüber der Werksangabe von 9,3 sec.

Diese Fahrleistungen heben den GS/E auf die gleiche Stufe wie den Mercedes 280 E/CE, der zwar 185 PS hat, dafür aber rund 200 kg schwerer ist. In der reinen Beschleunigung hängt der Opel den Mercedes sogar noch etwas ab, von 0 auf 140 km/h um etwa 2 sec.

Beim früheren GS/E 2500 war der viel kleinere Bugspoiler mehr optisches Beiwerk, obwohl eine gewisse spurstabilisierende Wirkung bei Schnellfahrt zu merken war. Beim heutigen GS/E 2800 druckt der tief heruntergezogene Spoiler den Wagenbug viel besser auf die Straße - er fährt sich eindeutig sicherer, weil Jenseits 160 km/h weder von Fahrbahn- noch von Seitenwindeinflüssen viel zu spüren ist. Dieser Super-Rekord verursacht - im (Gegensatz zu seinem Vorgänger - bei flotter Gangart keine schweißnassen Fahrerhände mehr.

160 km/h sind beim GS/E- bei normalem Autobahnverkehr eine fast mühelose Reisegeschwindigkeit; der Motor dreht dabei im 4. Gang etwa 4700 U/min, ist kaum zu hören und verbraucht etwa 15 Liter auf 100 km. Auf Vollgas treibt der GS/E auch bei diesem Tempo noch spürbar Vorwärts, so dass man Verkehrslücken gut nutzen kann.

Von 100 auf 160 km/h beschleunigt  der spurtstärkste Opel allein im vierten Gang in etwa 14 sec; nach Verzögerungen erreicht man ohne Griff zum Schalthebel  sehr rasch wieder das normale Reisetempo und selbst mittlere Autobahnsteigungen werden von diesem 160 PS-Motor weggebügelt. Auf der Landstraße gestattet der GS/E noch Überholmanöver, die man mit dem normalen Rekord 1900 (mit 97 PS) auf Tempo 100-Straßen nicht mehr  wagen kann; von 80 auf 110 km/h schießt der GS/E im dritten Gang in 4 sec hoch, während der Rekord 1900 dafür immerhin die doppelte Zeit braucht.

Das serienmäßige Vierganggetriebe mit erstaunlich leichtgängiger Mittelschaltung ist deshalb für häufigere Langstrecken auch für schaltfaule Fahrer vorzuziehen, obwohl die fein abgestimmte Opel-Automatic (Mehrpreis 1130 DM) für überwiegenden Stadtbetrieb zumindest eine vergleichende Probefahrt lohnt. Trotz hoher Vorderachslast lenkt und parkt sich der GS/E mit der serienmäßigen Servolenkung müheloser als der Rekord. In der Abstimmung gefiel uns diese Lenkhilfe besser als je zuvor, weil sie niemals das Gefühl für den richtigen Lenkradeinschlag vermissen lässt. Die Fahrwerksgrenzen durch den Motor zeigen sich beim Anfahren auf weniger griffigen Straßen. Da kann der GS/E schon bei Halbgas an gepflasterten Steigungen mit den Hinterrädern leicht durchdrehen. Etwas Ballast im Heck lohnt sich also für den normalen Fahrbetrieb und erst recht im Winter. Erwägenswert gerade für den GS/E ist das relativ preiswerte Sperrdifferential (für 280 DM), das einseitiges Durchdrehen eines Hinterrads verhindert. Dafür muß man allerdings sich mit etwas "eckigeren" Kurveneigenschaften abfinden, weil beim Einsetzen der Sperrwirkung die hintere Starrachse ruckartiger aus der Spur gedrückt wird.

Wirklich störend ist - je nach Komfortanspruch - eigentlich nur die harte Federung. Speziell die Mitfahrer hinten werden trotz der guten Sitze auf schlechten Straßen durchgeschüttelt. Zwar macht sich die seit den Werksferien (August) neue Stoßdämpferabstimmung bei allen Commodore positiv bemerkbar, aber trotz straffer Dämpfung - der GS/E neigt niemals zum Aufschaukeln der Karosserie - kann sie allein die recht kurzen Federwege nicht ausgleichen.

Bei groben Fahrbahnstößen und voller Belastung spürt man das Anschlagen der Hinterradfederung. Mit den knappen Federwegen hängt auch die geringe Zuladung zusammen: 370 kg sind für einen Reiseviersitzer die untere Grenze, zu vier Personen a 75 kg bleiben noch 70 kg fürs Gepäck übrig. Der relativ kleine Gepäckraum mit 530 Liter Volumen (Mercedes 280-580 Liter) kann also nicht bedenkenlos vollgestopft werden. Serienmäßige Anschnallgurte vorn sind beim GS/E erfreulich, aber Opel sollte wahlweise endlich auch die praktischeren Automatikgurte mit Einhandbedienung anbieten.

Mit einigen Extras rückt der GS/E trotz der günstigen Grundpreise (viertürige Limousine ab 16 460,30 DM, Coupé ab 16 795,30 DM) schon in die 18000 DM-Preisklasse, mit Automatik, Radio, getönten Scheiben und Stahlkurbeldach schon auf 20 000 DM. Aber in der Meroedes-Konkurrenz ist das immer noch ein vorzügliches Angebot, denn der entsprechende Mercedes 280 E/CE kostet etwa 6000 DM mehr.

Der frühere GS/E 2500 hat auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen schweren Stand, mit entsprechend hohem Wertverlust. Der neue GS/E 2800 wird es wohl noch schwerer haben, weil 2,8 Liter Hubraum die Zweitkäufer abschreckt.

mot-Gesamturteil

Beim Opel Commodore GS/E besticht vor allem der Motor mit feinen Eigenschaften: sehr sicherer Kaltstart, sofortiges Gasannehmen, leiser Lauf und enorm viel Zugkraft. Das Spitzenmodell der Rekord/Commodore-Reihe ist ein sicherer, aber hart gefederter Reisewagen. Er fordert auch Spitzenbetriebskosten, obwohl der GS/E-Preis für die hohen Fahrleistungen und die Ausstattung günstig ist.